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Lippstädter Hospizkreis wird 30 Jahre alt.

Interview mit Frau Cegelski vom Patriot

Seit 30 Jahren begleitet der Hospizkreis in Lippstadt schwerstkranke und sterbende Menschen auf ihrem letzten Lebensweg. Doch Tod und Sterben ist in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabuthema.

Lippstadt – „Der Tod und das Sterben sind noch nicht so präsent wie wir es uns wünschen würden“, sagt Mechthild Fillinger, Vorsitzende des Hospizkreises. „Wir sind alle endlich“, ergänzt Beate Otten. Bei der hauptamtlichen Koordinatorin und ihrem Kollegen Wiegbert Lummer laufen die Fäden der Hospizarbeit in Lippstadt zusammen.

Foto: Carolin Cegelski - Patriot Lippstadt / Wiegbert Lummer, Mechthild Fillinger, Beate Otten

Ein Überblick in Zahlen.

5 Lippstädter haben den Hospizkreis 1994 gegründet – „im Wohnzimmer“, blickt Mechthild Fillinger auf die Anfänge des Hospizkreises zurück. Sie wollen Sterbenden und deren Angehörigen Hilfe anbieten. „Aus Intuition und Überzeugung heraus.“ Zu den Gründungsmitgliedern gehören unter anderem Dr. Carl-Friedrich Walther, Gerburgis Schüttert und Eleonore Cosack.

1002 Menschen haben die Ehrenamtlichen des Hospizkreises Lippstadt in den vergangenen 30 Jahren auf ihrem letzten Lebensweg begleitet. 1994 waren es 14 Sterbebegleitungen, 2018: 65 und 2023: 51. Es ist eine Begegnung auf Zeit, vor der sich viele Menschen scheuen – Schwerkranke, Sterbende und Angehörige: „Viele denken bei dem Wort Hospiz, dass das Sterben vor der Tür steht“, sagt Wiegbert Lummer. „Diese schwierige Situation kann man nicht üben.“ Sterbebegleiter haben Zeit zum Reden und zum Schweigen, sind da, wenn Angehörige Entlastung brauchen, stehen im Austausch mit Angehörigen, Ärzten, Seelsorgern: „Jeder Tod ist individuell, so wie Menschen individuell sind“, sagt Mechthild Fillinger. „Sterbebegleiter sind nicht persönlich betroffen, haben eine andere Warte.“

56 Ehrenamtliche engagieren sich beim Hospizkreis in der Sterbe- und Trauerbegleitung. „Wir haben derzeit einen tollen Pool Ehrenamtlicher“, sagt Beate Otten. „Ohne Ehrenamtliche wären wir ganz arm dran“, sagt sie. Erstgespräche, Beratung, Verwaltungsarbeit, Veranstaltungsorganisation und Öffentlichkeitsarbeit übernehmen Beate Otten und Wiegbert Lummer als hauptamtliche Koordinatoren. Sie kümmern sich auch um Supervisionsangebote für die Ehrenamtlichen: Auch für sie ist Seelsorge wichtig. „Es ist ein schweres Ehrenamt“, sagt Wiegbert Lummer. „Man lernt, sich abzugrenzen, aber es perlt auch nicht alles an einem ab“, sagt Mechthild Fillinger.

100 Stunden müssen die Ehrenamtlichen im Rahmen ihrer Ausbildung nach den Richtlinien des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes absolvieren, um in der Sterbebegleitung zu wirken. 2025 wollen die Verantwortlichen des Hospizkreises den nächsten Befähigungskurs anbieten: „Es gibt erstaunlicherweise schon jetzt wieder Anfragen“, sagt Beate Otten. „Jeder Ehrenamtliche hat einen individuellen Grund, um sich in diesem Bereich zu engagieren.“ Die Verantwortlichen des Hospizkreises sind froh: „Früher gehörte der Tod dazu, die Nachbarschaft auf dem Dorf wusste, was zu tun ist. Das ist verloren gegangen“, sagt Wiegbert Lummer über Veränderungen in den vergangenen 30 Jahren. Der demografische Wandel und veränderte soziale Strukturen spielten bei der Bedeutung der Hospizarbeit eine Rolle. „Früher wurden die Menschen im Familienkontext alt, heute nicht mehr.“ Die Palliativmedizin habe sich allerdings weiterentwickelt, sagt Mechthild Fillinger. „Das medizinische Bewusstsein ist ein anderes geworden. Es wird mehr zugelassen, akzeptiert, begleitet.“

8 Ehrenamtliche helfen als Trauerbegleiterinnen dabei, die unterschiedlichen Phasen der Trauer zu bewältigen: Seit 2014 macht der Hospizkreis dazu verschiedene Angebote. „Im Rahmen der Sterbebegleitung haben wir gesehen, dass Angehörige zurückbleiben“, erinnert sich Mechthild Fillinger. „Das war unbefriedigend.“ Anfangs waren es vier, jetzt sind es acht Trauerbegleiterinnen. Trauercafé, -runde und -spaziergang: „Das Angebot hat sich bewährt. Die Nachfrage ist höher.“ Zum 30-jährigen Bestehen bietet der Hospizkreis ein neues Angebot für Trauernde an: die Trauerbank. Von April bis Oktober wollen Ehrenamtliche unverbindlich auf der Trauerbank auf dem Hauptfriedhof ins Gespräch kommen, einmal in der Woche. „Trauerarbeit ist reines Ehrenamt“, sagt Beate Otten. „Trauer ist für die Krankenkassen keine Krankheit, deshalb wird die Begleitung nicht refinanziert.“ Trauernde finden bei den ausgebildeten Ehrenamtlichen ein offenes, neutrales Ohr, Verständnis – „einen Zuhörer“, sagt Mechthild Fillinger.

163 Mitglieder zählt der Hospizkreis Lippstadt insgesamt (Stand: 2023). Die Mitgliederzahl ist seit der Gründung im Wohnzimmer kontinuierlich gestiegen, allerdings könnten es noch mehr sein, formulieren die Verantwortlichen einen Wunsch zum 30-Jährigen. 

++++ Ein Jahr, viele Veranstaltungen: Das plant der Hospizkreis zum Jubiläum ++++

. Gottesdienst zum Jubiläum: Am Sonntag, 4. Februar, findet um 15 Uhr in der St.-Bonifatius-Kirche ein Jubiläumsgottesdienst statt. Gestaltet wird der Gottesdienst von Pfarrerin Dr. Yvonne Buthke und Pfarrer Thomas Thiesbrummel. Die Hospital-Singers des Dreifaltigkeits-Hospitals umrahmen den Gottesdienst musikalisch.

. Improtheater gibt’s am Samstag, 9. März, um 18 Uhr im Forum des Ostendorf-Gymnasiums: „Sie werden lachen, es geht um den Tod“, heißt das Programm der Tabutanten.

. „Trauern heißt Lieben“: Anselm Grün ist am Montag, 25. November, um 19 Uhr in der Marienkirche in Lippstadt zu Gast. Der Benediktinerpater ist gefragt: „Wir sind glücklich, dass er zugesagt hat“, sagen die Verantwortlichen des Hospizkreises.

. Die Journalistin Louise Braun liest am Samstag, 24. Februar, um 15 Uhr im Rathaussaal aus ihrem Buch „Was bleibt, wenn wir sterben“. Musikalisch begleitet wird die Lesung von Cihan Morsünbül.

. Gabriele von Arnim, Journalistin und Schriftstellerin, liest am Samstag, 21. September, aus ihrem Buch „Das Leben ist ein vorübergehender Zustand“. Beginn ist um 15 Uhr im Rathaussaal.

. „Ich kann nicht mehr und ich will nicht mehr“: Martina Kern, Leiterin des Zentrums für Palliativmedizin und wissenschaftliche Leitung der Akademie für Palliativmedizin am Helius-Klinikum Bonn, hält am Mittwoch, 17. April, um 19 Uhr einen Vortrag im Rathaussaal.

. Pfarrer Thomas Thiesbrummel spricht am Mittwoch, 26. Juni, um 19 Uhr (Rathaussaal) zum Thema: „Jeder Augenblick zählt – Momente wo der Himmel die Erde berührt“.

. Ein Picknick auf der Seebühne findet am Mittwoch, 17. Juli, um 19 Uhr auf der Seebühne im Grünen Winkel statt. Luisa Laakmann und Band sorgen für Musik.

. Die 1. Lippstädter Hospizfilmtage stehen am 31. Januar sowie am 28. Februar und 27. März auf dem Programm. Das Motto: „Drei Filme in drei Monaten“. Jeweils um 19.30 Uhr werden im Cinema in der Rathauspassage Filme zum Thema gezeigt.

. Die Gedenkfeier für alle Verstorbenen steht am Sonntag, 3. November, um 16 Uhr im Forum der Marienschule im Veranstaltungskalender des Lippstädter Hospizkreises.

Weitere Informationen im Internet: www.hospizkreis-lippstadt.de

++++ Stationäres Hospiz ++++

Der Wunsch nach einem stationären Hospiz in Lippstadt ist groß: Der Hospizkreis würde es begrüßen, wenn es in Lippstadt ein stationäres Hospiz geben würde. „Pläne gibt es, allerdings scheitert es an einem Grundstück“, weiß Hospizkreisvorsitzende Mechthild Fillinger. Wenn das Hospiz kommt, sei eine gute Zusammenarbeit wichtig, wünschen sich die Verantwortlichen des Hospizkreises – „nicht als Konkurrenz, sondern als Team“ für die Menschen in der Stadt.

++++ Es ist viel passiert: 30 Jahre Hospizgeschichte im Schnelldurchlauf ++++

. 1993: Mit der Gründung der sogenannten „Omega-Gruppe“ hält die Hospizidee Einzug in Lippstadt.

. 1994: Am 2. November gründet sich der Initiativkreis Hospizbetreuung. Erster Vorsitzender ist Dr. Carl-Friedrich Walther, Gerburgis Schüttert wird seine Stellvertreterin. Mitglieder: 36.

. 1995: Um die Mitglieder fortzubilden, die Hospizinitiative bekannt zu machen und die Themen Tod und Trauer zu enttabuisieren, werden die Mittwochsvorträge eingeführt. Darüber hinaus wird die Supervision für Ehrenamtliche eingeführt. 1995 tritt die Hospizinitiative unter anderem auch der Hospiz-AG NRW bei.

. 1996: Der Initiativkreis bekommt ein Logo.

. 1997: Der Initiativkreis benennt sich in Hospizkreis Lippstadt um. Dr. Friedrich Bergmann wird der erste Vorsitzende.

. 1999: Erstmals gibt’s ein Neueinsteiger-Seminar für Ehrenamtliche.

. 2004: Die Zahl der Sterbebegleitungen liegt erstmals bei über 30 im Jahr.

. 2006: Die Gedenkgottesdienste für Angehörige werden eingeführt. Der Hospizkreis hat 101 Mitglieder, davon sind 35 Sterbebegleiter.

. 2007: Der Hospizkreis bekommt das erste Büro: an der Wiedenbrücker Straße 8.

. 2008: Gerburgis Schüttert, Mitbegründerin des Hospizkreises, wird für ihr Engagement mit der Lippstädter Rose geehrt.

. 2009: Die erste Koordinatoren-Stelle wird geschaffen.

. 2011: Gerburgis Schüttert wird Vorsitzende und bekommt das Bundesverdienstkreuz am Bande.

. 2012: Der Hospizkreis zieht in die Geiststraße um.

. 2014: Der Hospizkreis wird 20 Jahre alt. Es gibt ein neues Angebot: das Trauercafé. Es wird eine zweite Koordinatoren-Stelle geschaffen.

. 2015: Mechthild Fillinger wird Vorsitzende. Mit dem Projekt „Hospiz macht Schule“ startet ein neues Angebot.

. 2017: Die Trauerarbeit wird intensiviert: Der Trauertreff, ein offenes Angebot, wird gegründet.

. 2018: Die Ehrenamtlichen begleiten mehr als 60 Schwerkranke und Sterbende. Der Hospizkreis schließt mit dem Dreifaltigkeits-Hospital einen Kooperationsvertrag.

. 2019: Der Hospizkreis feiert das 25-jährige Jubiläum – mit Festakt und geladenen Gästen. Mitgliederzahl: 147 (51 aktive Ehrenamtliche).

. 2022: Der Hospizkreis bietet erstmals einen Letzte-Hilfe-Kurs an.

. 2024: Der Hospizkreis wird 30 Jahre alt: Eleonore Cosack, Mitbegründerin des Hospizkreises, wird für ihr Engagement mit der Lippstädter Rose geehrt. Eine Trauerbank soll auf dem Friedhof entstehen.

Quelle: Der Patriot
Dieser Artikel wurde von Carolin Cegelski am 15. Januar 2024 19:23 Uhr beim Patriot veröffentlicht.